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EUWID Interview mit Dr Matthias Golomb

Tina Schramm, Redakteurin bei EUWID Recycling und Entsorgung, sprach mit Dr Matthias Golomb, technischer Verkaufsleiter bei Recycleye, darüber, wie KI in der deutschen Recyclingindustrie eingesetzt wird. Den im Magazin vom Mai erschienen Artikel finden Sie untenstehend.

Maschinelle Lernmodelle können beim Sortieren von Abfällen für eine konsistente Qualität des Outputs sorgen und die Kosten senken. Davon ist Matthias Golomb von Recycleye überzeugt. Das britische Startup, für das er als Technical Sales Manager tätig ist, verbindet optische Erkennungssysteme mit künstlicher Intelligenz: Am Anfang zeigt man der KI viele Bilder, zum Beispiel eine Aluminiumdose von oben, von unten, von der Seite, zerdrückt und geschreddert. Und irgendwann merkt sich das System die Eigenschaften und kann Objekte identifizieren. Wir haben mit Matthias Golomb über Herausforderungen und Erfolge, aktuelle Projekte und Perspektiven der Technologie gesprochen.

dr matthias golomb

Herr Golomb, wie wird KI Ihrer Meinung nach die Arbeit von Entsorgern und Verwertern verändern? Welche Entwicklungen erwarten Sie in den kommenden Jahren?

Ich denke, in Deutschland wird KI zunächst erstmal hauptsächlich zur Stoffstromüberwachung eingesetzt werden. Das heißt, um zu schauen, was überhaupt in meine Anlage hineingeht. Kann ich die Anlage demnächst danach steuern und die Qualität überwachen, die aus der Anlage herauskommt? Und in Zukunft wird KI definitiv ein paar Nischen füllen. Sie muss nicht alles können, denn in einigen Bereichen laufen NIR-Sortiersysteme super. Aber in anderen Bereichen wird sie ihren rechtmäßigen Platz finden. Höchstwahrscheinlich kann sie viele manuelle Sortierprozesse ersetzen, da die KI wie ein Auge arbeitet. Aber auch nicht alle Prozesse, weil zur Ausbringung die Handmotorik fehlt.

Welche Nischen werden das sein? Wo sehen Sie den größten Bedarf?

Generell können wir überall dort Lücken schließen, wo keine Materialcharakterisierung, sondern eine Objekterkennung erforderlich ist. Zum Beispiel bei Verbundmaterialien, PET-Flaschen mit Überzügen oder Flüssigkartons, die Aluminium und Papier enthalten.

Sehr viele Nachfragen kommen aus dem Bauschuttbereich, einfach weil es ein schwieriges Umfeld ist: Ein Infrarotsortierer mit Halogenlampen verträgt sich nicht besonders gut mit Staub und Schmutz. Da wir nur mit einer Kamera und einfachen LED-Lichtern auskommen, ist das Ganze relativ robust. Und auch im Stahl- und E-Schrott-Bereich gibt es viel Interesse.

Wo setzt Ihr System beim Sortieren von Metallen an?

Dort fehlt für viele Anwendungen noch eine gute technische Lösung zur Erkennung. Etwa fürs Aussortieren von Edelstahl-Messing oder Kupferankern in Eisen, also hauptsächlich Verbundmaterialien, bei denen Infrarotsensoren Probleme im Unterscheiden haben. Darin ist die KI hingegen gut.

Wir können an unterschiedlichen Stellen im Prozess ansetzen: Bei der Grobsortierung bringen wir aus dem Materialstrom alles aus, was kupferhaltig ist. Das heißt, Messing und Kupfer gehen erstmal in die gleiche Fraktion. Und anschließend wird nachsortiert, um den Kupferstrom rein zu halten.

In Großbritannien haben wir verschiedene Projekte in der Aluminiumverwertung realisiert. Diese Fraktion wird dort anders aufbereitet als in Deutschland. Man trennt Aluminiumdosen von anderen Aluminiumgegenständen. Das heißt, Aerosoldosen müssen zum Beispiel ausgebracht werden. Und das ist etwas, das normale Sortierer nur sehr schwer können, weil sie nur das Material erkennen.

Und woher weiß die KI, dass sie eine Getränke- und keine Aerosoldose vor sich hat?

Die Getränkedose hat einen Pin zum Öffnen, einen bestimmten Schriftzug der Marke und so weiter. Das ist die große Herausforderung, dass man Gegenstände miteinander vergleichen muss. Und es gibt häufig auch regionale Unterschiede. In Irland könnte es durchaus sein, dass mehr Guinnessdosen im Aluminiumstrom sind. Das heißt, wir müssten dann der KI extra Bilder von mehr Guinnessdosen zusätzlich zum Basismodell geben. Je nach Kunde gibt es immer wieder spezielle Objekte, die wir hinzufügen.

Da zeigt sich aber zugleich auch ein Vorteil von KI: die Flexibilität. Auf Neues können wir sehr schnell reagieren. Wenn die Hersteller zum Beispiel ihre Weihnachtseditionen rausbringen und wir haben die noch nicht in unserer Datenbank, dann ist die KI erstmal sozusagen verwirrt und wir müssen die Bilddaten aktualisieren.

Sie hatten vorhin das Thema Bauschutt angesprochen – da gibt es keine Weihnachtskollektionen. Die Optik von Materialien aus dem Abbruch dürfte ziemlich gleichbleiben. Hat es die KI auf diesem Gebiet besonders leicht?

Das ist tatsächlich eine Anwendung, bei der wir relativ sicher sind, dass sie optimal skalierbar ist und dass wir die Trainingseffekte sehr gut von einem deutschen Kunden auf den nächsten deutschen Kunded übertragen können.

Was sind die Besonderheiten auf diesem Markt und welches Potenzial könnte Ihre Technologie dort haben?

Im Baubereich wird vieles über die Masse gemacht. Schauen wir uns Ziegel und Beton im Bauschutt an: Das sind jeweils keine sehr kostbaren Materialien, aber die Unterscheidung ist wichtig. Für sortenreines Recycling-Material kann man dreimal mehr erzielen als für gemischtes. Das heißt, die Wertschöpfung ist entsprechend deutlich größer. Und es spielt auch der Gedanke mit rein, wie wir solche Materialien wieder hochwertiger einsetzen können statt nur als Straßenunterfütterung – zum Beispiel bei der Beton- oder Substrahtherstellung.

Arbeiten Sie aktuell an konkreten Projekten im Baubereich?

Ja, der Anlagenbauer Stadler ist auf uns zugekommen. Dort gab es schon länger Überlegungen, wie sich die Bauschuttsortierung automatisieren lässt. Das wird derzeit noch hauptsächlich händisch gemacht. Die Entsorgungsfirma Heydt aus Baden-Württemberg ist als Partner an dem Projekt beteilist und wir haben schon mit ersten Tests angefangen. Es geht um Gemische aus Beton, Ziegel und Keramik mit ein paar Verunreinigungen – also alles, was beim Hausabbruch oder einer Renovierung anfällt.

Gibt es hier schon Erkenntnisse dazu, wie sich die KI auf die Effizienz auswirkt? Welche Ziele streben Sie an?

Gerade sind wir dabei, mit dem Material von Heydt zu bestimmen, auf welchen Durchsatz wir in der Stunde kommen können. Unser Minimal-Ziel sind 50.000 Tonnen pro Jahr fürs erste. Das entspricht dem, was zurzeit von zwei Leuten, die die Sortieranlage betreiben, erreciht wird. Aber nicht in Vollzeit, sondern nur an 100 Tagen im Jahr, auf die sich die 50.000 Tonnen verteilen. In einem ersten Schritt wollen wir die Sortierung zuverlässiger und konstanter gestalten und im Endeffekt streben wir eine Steigerung des Durchsatzes auf 100.000 Tonnen an.

Das wäre eine Verdoppelung der Kapazität. Wie sieht der Zeitplan dafür aus?

Wir sind jetzt in der erweiterten Entwicklungsphase und hoffen, dass wir Endes des Jahres bzw. Anfang 2025 das Pilot projekt stehen haben und uns ab dann von 50.000 auf die 100.000 Tonnen zubewegen.

Ging es auch darum, ein Problem von Personalmangel zu lösen?

Das ist definitiv der treibende Faktor für viele. Die Anlagen stehen meistens nicht in den schönsten Lebensgegenden, sondern etwas weiter draußen. Deswegen ist est schwierig, überhaupt Arbeitskräfte zu finden und es wird auf uns zurückgegriffen.

Wie schätzen Sie langfristig das Verhältnis der Investitionskosten zu wirtschaftlichen Vorteilen durch KI-gesteuerte Automatisierung ein? Lohnt es sich auch für kleinere Unternehmen?

Da gibt es mehrere Überlegungen. Habe ich eine manuelle Sortierstelle, die ich nicht besetzen kann oder die mich relativ viel Geld kostet? Dann ist der Business Case einfach: Es lohnt sich schon ab einem Zweischicht-Betrieb und die Investitionskosten werde ich wahrscheinlich in drei bis vier Jahren kompensiert haben.

Wenn es darum geht, zusätzliches Material aus Sorterresten rauszuholen, hängt es natürlich sehr stark davon ab, ob noch etwas Wertvolles enthalten ist. Bei Papier mit Preisen um die 80 € pro Tonne würde es lang dauern, bis es sich rentiert. Wenn es sich aber um Aluminiumdosen handelt, sind wir im Bereich zwischen 900 und 1.100 € pro Tonne. Dann ist der Vorteil sehr deutlich beziehungsweise sehr schnell zu sehen.

Wir danken Ihnen für das Gespräch, liebe Herr Golomb.

Um den Artikel auf EUWID zu lesen, klicken Sie hier .

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